Wann ein bewusstes Nein hilfreich ist
Führungskräfte müssen nein sagen können, um langfristig erfolgreich zu bleiben. Sie brauchen schließlich Möglichkeiten, um sich gegen die vielen Anforderungen abzugrenzen. Die übliche Lösung ist, ein klares und rhetorisch geschicktes Nein auszusprechen.
Gerade für erfahrene Führungskräfte ist das Problem, dass der Fokus auf rhetorische Klarheit allein nicht ausreicht. Dieser Artikel beleuchtet, zu welchen beiden Anlässen ein bewussteres Nein nötig ist und welchen Nutzen es bringt. Wir blicken auf die drei Fragen, mit denen Führungskräfte in diesen Situationen ein bewussteres Nein erreichen können.
Zwei Anlässe für ein bewussteres Nein
Häufige Spannungen mit Anderen
Wenn eine Führungskraft zunehmend Spannungen beim Abgrenzen gegenüber Anderen erlebt ist das ein Zeichen dafür, dass sie ihr Nein bewusster füllen sollte. Rein rhetorisch klares Neinsagen folgt nämlich überspitzt gesagt oft der Logik, so nein zu sagen, dass die andere Person sich nicht wehren kann. Das fällt natürlich leichter in einer hierarchisch geprägten Welt. Die bekannte Devise „nein ist ein vollständiger Satz“ verkörpert diese Idee.
Modernes Arbeiten findet allerdings meistens in Teams statt, und das bedeutet laufenden Meinungsaustausch und gemeinsame Entscheidungsfindung. In dieser eng verzahnten Arbeitswelt kann sich keine Führungskraft erlauben, wie der Elefant im Porzellanladen aufzutreten und Leute um sich herum zu vergraulen. Das belastet nämlich die Arbeitsbeziehungen, und dann ist es schnell vorbei mit der erfolgreichen Teamarbeit. In Zeiten von flachen Hierarchien und intensiver Kooperation ist es darum sehr wichtig, sich auf verträgliche Weise abzugrenzen. Heute ist es erforderlich, beim Neinsagen mit Fingerspitzengefühl vorzugehen. Durch eine gut erklärte Ablehnung einer Anforderung belastet man optimalerweise die Beziehung nicht, sondern stärkt sie sogar. Das wird nicht durch knackige Rhetorik erreicht, sondern durch ein höheres Maß an Bewusstheit über das eigene Nein.
Diffuses Unbehagen gegen Anforderungen
Es gibt immer wieder Phasen in der eigenen Karriere, in denen sich ein diffuses Unbehagen ausbreitet. Gerade bei erfahrenen Führungskräften sind das entscheidende Zeiten. Denn in der Mitte der Karriere tauchen oft wichtige Lebensfragen auf oder bedeutende Entscheidungen stehen an. Dieser Prozess beginnt damit, dass das Bauchgefühl immer öfter "nein" sagt, ein allgemeines Unbehagen sich breit macht, und so ziemlich alles eine Aversion auslöst, was Andere von einem wollen.
Nun sind Menschen mit mehrjähriger Führungserfahrung ziemlich darauf fokussiert, effizient zu funktionieren. Sie tendieren dann dazu, dieses Bauchgefühl zu ignorieren und die Anforderungen mit klarer Abgrenzung weg zu managen. Sie schaffen sich zwar zeitlichen Freiraum, indem sie nein sagen und Grenzen setzen. Doch wenn dies nur mechanisch geschieht ohne bewusste Reflexion verpassen sie eine wertvolle Chance für sich selbst. Das unwillige Bauchgefühl birgt nämlich eine wichtige Botschaft, die es zu entschlüsseln gilt. Wenn Führungskräfte in wichtigen Lebensphasen ihr Neinsagen bewusster gestalten bekommen sie wertvolle Informationen über ihre eigenen Motive und Bedürfnisse, die sie dann in Weichenstellungen einfließen lassen können.
Mit drei Fragen zum bewussteren Nein
Auf dem Weg zum bewussteren Nein helfen drei Fragen. Sich diese zu stellen hilft, die verträgliche Abgrenzung gegenüber Anderen formulieren zu können, auf die es heute im Führungsalltag ankommt. Diese drei Fragen zum bewussten Nein können aber noch mehr. Sie bieten die Gelegenheit, ein laufendes unzufriedenes Bauchgefühl dafür zu nutzen, um einen Prozess der produktiven Selbsterkenntnis zu fördern.
Erste Frage: Was ist das Ja zum Nein?
So paradox es sich anhört, zu einem kraftvollen Nein gehört ein genauso kraftvolles Ja auf der anderen Seite. Menschen machen oft den Fehler zu glauben, dass sie automatisch etwas gewonnen haben wenn sie etwas ablehnen. Das ist aber nicht so. Außerdem bleibt das Nein gegenüber Anderen kraftlos, wenn man innerlich gar nicht weiß, was man stattdessen möchte. Darum zielt eine Frage darauf ab sich die Zeit zu nehmen herauszufinden, wozu man ja sagen möchte wenn man nein sagt. Das muss gar nicht unbedingt ausgesprochen werden, aber es ist für sich selbst sehr wichtig, um sich deutlich abgrenzen zu können und die eigenen Bedürfnisse besser zu erkennen. Und während durch ein mechanisch klares aber unreflektiertes Nein nichts über sich selbst gelernt ist bringt die ehrliche Frage nach dem, was man stattdessen möchte oft interessante Erkenntnisse über sich selbst zum Vorschein.
Zweite Frage: Wie groß ist das Nein?
In stressigen Situationen neigen wir Menschen dazu, Dinge nur noch schwarz-weiß zu sehen. Genauso ist es auch, wenn bei der Arbeit der Schreibtisch voll ist und uns dann jemand um etwas bittet, was wir nicht wollen. Die typische Reaktion ist dann, das Ganze rundweg abzulehnen, und zwar oft ganz rigoros. Das fördert weder die Zusammenarbeit noch die Selbsterkenntnis. Stattdessen verschafft das riesige Nein uns das Image einer Dauerblockade. Möglicherweise packen uns sogar Gewissensbisse, wenn wir wieder zur Ruhe gekommen sind. In der Komplexität der Arbeit sind es nämlich oft nur ein paar Aspekte der Anforderungen, die wir ablehnen. Anstelle also das Kind mit dem Badewasser auszuschütten ist es besser sich zu fragen, welche genaue Facette es denn ist, die man nicht möchte. Mit diesem bewussteren Nein lässt sich dann ein konstruktiveres Gespräch führen. Und man wird sich über die eigenen Wünsche und Bedürfnisse viel klarer.
Dritte Frage: An wen ist das Nein gerichtet?
Manche Themen und Anforderungen begegnen uns immer wieder an, egal wie oft wir uns versuchen, dagegen abzugrenzen. Solche Fällen können als Aufforderung verstanden werden sich zu fragen, ob das Nein nicht besser an sich selbst gerichtet ist. Anstelle sich nach außen abzuarbeiten ist es vielleicht viel hilfreicher, zu etwas in sich selbst nein zu sagen. Das kann z.B. die unrealistische Erwartung sein, dass im eigenen Team immer alles harmonisch laufen muss. Oder vielleicht ist es auch Zeit sich einzugestehen, dass die Jahre nicht mehr ausreichen werden, um in diesem Leben noch die nächste Karrierestufe zu erklimmen. Dass man nicht genug Zeit für alles hat ist keine Ausnahme, sondern die Regel, wie Oliver Burkeman wunderbar in seinem Buch 4000 Wochen erinnert. Dieses bewusste Nein zu sich selbst braucht einigen Mut. Der Lohn dafür sind eine gewachsene Selbsterkenntnis und innere Gelassenheit, um besondere Phasen im Leben mit größerer Klarheit zu gestalten.
Wenn Führungskräfte immer wieder Spannungen mit Anderen erleben oder sie am liebsten zu allem nein sagen sollten sie ihr Nein bewusster anschauen. Drei einfache Fragen helfen dabei. Abgrenzung lässt sich so verträglicher gestalten. In wichtigen Lebens- und Karrierephasen steckt in einem Nein sehr viel nützliche Information, wenn man es bewusst erlebt. Darum wird im Wise Work Coaching-Programm für erfahrene Führungskräfte genau mit diesen Impulsen des Neinsagens gearbeitet, um daraus innere Kraft und Leichtigkeit zu ziehen. Denn wie der Philosoph Pythagoras von Samos sagt: „Die kürzesten Wörter, nämlich ‚ja’ und ‚nein‘, erfordern das meiste Nachdenken“.
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